Was ist eigentlich Design Thinking?
Design Thinking wird in den letzten Jahren als eine Wundermethodik in der Start-up Welt proklamiert. Dabei ist Design Thinking in seinen Grundzügen bereits 1962 an der Stanford Universität entstanden. Schauen wir uns mal genauer an, was sich dahinter verbirgt.
Design Thinking hat weniger mit Ästhetik und mehr mit Wirkung zu tun
Design Thinking bezieht sich entgegen der üblichen Assoziation mit „Design” weniger auf die Ästhetik und das Aussehen einer Sache als auf die Funktion und Wirkung von Dingen und Prozessen. Meistens wird die Methode Design Thinking verwendet, um ein Problem auf eine andere Art und Weise zu lösen als in der Vergangenheit. Wichtig sind in diesem Prozess Zusammenarbeit und Kreativität in einem lösungsorientierten Entwicklungsprozess.
Klassische Produktentwicklung hat Nachteile
Stell dir vor, du möchstest Produkt für deine Kunden entwickeln, das ein ganz bestimmtes Problem lösen soll. Du gibst deinen Auftrag an die Forschungsabteilung. Die Kollegen verkriechen sich jetzt für zwei Jahre in ihrer Abteilung und kommen wieder heraus und sagen: „Hier ist unser Produkt“. Du denkst dir, wunderbar zwei Jahre sind vergangen. Das war ganz schön lange, war ganz schön teuer und dennoch steht die Frage im Raum, ob die Entwicklungsabteilung auch mal mit dem Kunden gesprochen hat, ob der Kunde denn genau das braucht, was dort entwickelt wurde. Dabei wird nicht selten festgestellt, dass ein Produkt am Bedarf des Kunden vorbei entwickelt wurde. Oder das Problem des Kunden wird zwar gelöst, aber es ist kompliziert in der Anwendung. Einfach weil man den Kunden nicht in die Entwicklung integriert hat.
Design Thinking: Kundenbedürfnisse stehen im Mittelpunkt
Das ist im Kern der eigentliche Ansatz im Design Thinking. Man versucht in Innovationsprozessen und bei Entwicklung von Lösungen und Produkten den Kunden viel früher aufzunehmen und in den Entwicklungsprozess zu integrieren. Der Entwicklungsprozess besteht dabei aus sechs Phasen.
Phase 1 im Design Thinking Prozess: Verstehen
In der ersten Phase versucht im Team in die Fragestellung einzutauchen und zu verstehen, was der Kunden denn eigentlich braucht. Der Kunde bzw. der Mensch steht im Mittelpunkt – Design Thinking orientiert sich kontinuierlich an den Bedürfnissen des Menschen. Um ein Problem zu lösen, ist es zunächst wichtig, dieses mit all seinen Einflussfaktoren zu verstehen.
- In welchem Themenfeld bewegt man sich?
- Für wen soll die optimale Lösung gefunden werden?
- Was ist das eigentliche Problem?
- Wer ist involviert?
- Welche Beziehungen spielen eine Rolle?
Die gestellten Fragen hängen natürlich in erster Linie von dem zu behandelten Thema ab. Je konkreter die Fragen gestellt werden, desto genauer kann die Lösungsstrategie an das Problem angepasst werden. Das Team versetzt sich in die Lage des Kunden, recherchiert und tauscht sich aus. Befinden sich alle Team-Mitglieder auf einem „Experten-Stand” und ist das Problem im Detail definiert, kann man in Phase 2 übergehen.
Phase 2 im Design Thinking: Beobachten
Qualitative Beobachtungen bilden den wesentlichen Teil der Recherche ab, die in Phase 1 bereits angelaufen ist. Personen werden während des Nutzungsprozesses im Feld beobachtet, also in ihrer natürlichen Nutzungsumgebung. Die wichtigste Aufgabe der Team-Mitglieder ist dabei, sich in den Menschen hineinzuversetzen und empathisch zu agieren- ihren „Point-of-view“ einzunehmen. Ergänzend können Befragungen durchgeführt werden, die dabei helfen, die Beobachtungen zu erklären. Es muss sich bei den Beobachteten nicht immer um aktuelle Nutzer eines Produktes oder Services handeln, auch Kontraste können spannend und hilfreich sein. Warum lehnt eine Person gezielt die Nutzung einer Sache ab oder nutzt sie vielleicht sogar über die Maße hinaus? Wichtig in der Phase der Beobachtung ist die parallel zur Beobachtung stattfindende Dokumentation der Informationen. Nur so können die Erkenntnisse später zielführend verwertet werden.
Phase 3 im Design Thinking: Sichtweise definieren
In der dritten Phase werden alle bisher gesammelten Informationen zusammengeführt. Das erste Ziel ist deren Visualisierung. Mit Hilfe von Bildern oder der narrativen Aufarbeitung des Stoffes. Nach und nach entwickeln sich erste Interpretationen, konkretere Ideen und ein Gesamtbild der Thematik. Ein Ordnungsrahmen gruppiert alle Informationen, hilft Muster zu erkennen und bringt sie in ein Relationsverhältnis. Beispiele sind Mengen- und Zwiebeldiagramme oder Abfolgen, die Prozesse in ihre einzelnen Schritte gliedern. Ergeben sich aus dem Ordnungsrahmen Spannungsverhältnisse, können mögliche Innovationsfelder lokalisiert werden. Mit dem Ende des dritten Schrittes, wird zunächst auch der Analyseteil oder das Problemverstehen beendet. Wir verlassen den „Problemraum“ und betreten mit Beginn der vierten Phase und dem Start der Lösungsfindung den „Lösungsraum.“
Phase 4 im Design Thinking: Ideen finden
Wir begeben uns gedanklich in den „Lösungsraum“. Die zuvor gesammelten Informationen und Daten sind die Grundlage für den Start des Lösungsteils und die nun folgende Ideenfindung. Oft wird im Design Thinking Prozess die Technik des Brainstorming verwendet. Es gilt möglichst viele Lösungsmöglichkeiten für das untersuchte Problemfeld zu finden. Eine in dieser Phase sehr gut funktionierende Technik ist auch LEGO Serious Play. Aus den Problemfeldern entwickeln sich in diesem Schritt langsam Innovations- und Lösungsfelder. Das anschließende Clustering sorgt für eine übersichtliche Aufstellung der herausgearbeiteten Ideen und eine Strukturierung der Ergebnisse. Anziehungskraft, Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit sollten die entscheidenden Faktoren bei der Auswahl der vielversprechendsten Ideen sein.
Phase 5 des Design Thinking: Prototypen entwickeln (Prototyping)
Weil die vorherigen Beobachtungen und Ideen in der Regel noch recht abstrakt sind, werden sie in der fünften Phase erlebbar gemacht und in eine physische Form übertragen. Dabei ist Einfachheit und Tempo in der Umsetzung das A und O. Mögliche Umsetzungsmöglichkeiten sind je nach Aufgabenstellung ein Rollenspiel, Post-It-Zettel, Knete, Play-Mais, eine Webseite, ein Film, ein Objekt, ein Raum, ein Storyboard, LEGO Serious Play oder ein konkreter Prototyp. Das ehrliche Feedback des Kunden ermöglicht es daraufhin, vorhandene Ideen weiterzuentwickeln oder neue zu entwerfen.
Phase 6 des Design Thinking: Testen
Die gewonnenen Erkenntnisse sind die Grundlage des letzten Schrittes, das Testen. Erst, wenn die zukünftigen Nutzer den Prototypen benutzen, kommt das wertvollste Feedback:
- Kommt die Idee an?
- Was kann am Produkt verbessert werden?
- Was wünschen sich die Menschen?
Um ein Prototyp zielführend zu testen, gibt es unterschiedliche Methoden. Präsentieren und Feedback sammeln ist eine einfache und bewährte Form, in der das Publikum die neue Idee sieht. Man kann auch den Nutzer mit dem Produkt interagieren lassen und ihn dabei beobachten. Je nach Fragestellung ist auch ein A/B – Tests sinnvoll. Wenn es zwei Varianten eines Prototyps gibt, einfach einzeln testen und das Feedback vergleichen. Auch kann der Nutzer den Prototypen benutzen und dabei laut denken.
Mit dem gesammelten Feedback kann man in die Reflexion gehen und mit der Iteration starten. Damit beginnt ein neuer Design Thinking Prozess. Das Konzept wird verfeinert. Feedbackschleifen werden so lange durchlaufen, bis das Team ein nutzenorientiertes Produkt entwickelt hat, das für den Kunden die optimale Lösung des Ausgangsproblems darstellt und ein optimales, nutzerorientiertes Produkt entstanden ist.